Erik Kormann wollte nicht sein Leben lang Parfümeur werden. Aber nachdem er Kulturwissenschaften studiert hatte, und wegen der unbefriedigenden Zeitverträge nach Abschluss des Studiums oft im Seifenladen 1000 & 1 Seife seiner Freundin Xenia Trost aushalf, rutschte er immer mehr in die Welt der Düfte. Inzwischen hat er 14 eigene Düfte kreiert und arbeitet bei der Dresdner Firma Li-iL (Dresdner Essenz). Sein eigenes Blog zeigt im Detail, wie man Parfums herstellt – eine Transparenz, die geradezu unerhört ist in der Welt der Düfte. (English translation here.)

Erik Kormann in Grasse, dem Parfum-Mekka in Frankreich.
Erik Kormann in Grasse, dem Parfum-Mekka in Frankreich.*

 

twindly: Wie kamst Du dazu, ein Parfumlabel zu gründen?

Erik Kormann: Da kamen mehrere Dinge zusammen. Eine alte Bekannte, Edith, ist Biochemikerin und Aromatherapeutin, und bevor sie in Rente ging, habe ich sie gebeten, ihr Wissen an mich weiterzugeben. Sie machte richtig schöne Duftmischungen für Hebammen, Hospize und Privatpersonen. Das wollte ich auch können. Zunächst haben wir nur mit natürlichen Rohstoffen gearbeitet, aber Edith hat mir damals schon gesagt, ,du musst mit allen Stoffen arbeiten, die du kriegen kannst’.

Dann habe ich im Fernsehen eine Sendung gesehen, in der ein berühmter Parfümeur auftrat, und unglaublich arrogant erzählte, ohne Studium und Ausbildung zum Parfümeur könne man kein Parfum machen. Das wäre etwas, was man nicht so einfach lernen könne.

Ein paar Tage später sah ich dann zufällig einen Bericht über ein paar Leute, die sich ein U-Boot gebaut haben, einfach so. Ein richtig tauchfähiges U-Boot. Das hat sogar eine Zulassung bekommen. Das muss man sich mal vorstellen! Da sitzt jemand und sagt unsäglich aufgeblasen, Parfums kann man nicht so einfach machen, und dann sind da 16 Leute, die einfach hingehen und ein U-Boot bauen. Da habe ich mir dann gedacht, ‚ich zeig’s Dir’, habe mit Edith gesprochen und angefangen, mein Parfum zu mischen.

 

Ein Blick auf Eriks Arbeitsplatz
Eriks Anfänge bei 1001 & 1 Seife.*

 

twindly: Wie bist Du dabei ganz praktisch vorgegangen?

Erik Kormann: Ich wusste durch die Seifenproduktion, woher ich Rohstoffe bekomme. Ich habe mir in kleinen Mengen Duftstoffe bestellt, die mich interessiert haben. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht so viel über Duftnoten, aber mir war schon klar, welche Stoffe typische Kopfnoten, Mittelnoten und Basisnoten sind. Ich hatte schon immer einen Hang zum Minimalismus und habe mit wenigen Stoffen gearbeitet. Meine Mischung habe ich Geza Schön (Berliner Parfümeur, Anm. d. Red.) unter die Nase gehalten, den ich gerade kennengelernt hatte. Der hat milde gelächelt und mir geraten, chemische Duftstoffe zu verwenden. Ich hatte mich bis zu dem Zeitpunkt noch nicht mit chemischen Duftstoffen beschäftigt, aber als ich die ersten bekommen hatte und zu meiner Mischung hinzugefügt hatte – wow! Plötzlich war da Luft und Licht und Leichtigkeit und Leben. Und dann war mein erstes Parfum ‚August’ fertig.

 

twindly: Hast Du Dir je chemisches Hintergrundwissen angeeignet oder Sachtexte zur Parfümeurskunst gelesen?

Erik Kormann:Ja. Ich bin außerdem in einem naturwissenschaftlichen Haushalt groß geworden, daher waren mir einige Dinge einfach klar. Außerdem habe ich andere Parfümeure kennengelernt und von deren Wissen profitiert, wie eben von Geza Schön und Mark vom Ende (Parfümeur, Symrise, Anm. d. Red.) und ganz besonders Doktor Sebastian Reuter von Bell Flavors & Fragrances.

Beim Abwiegen der Rohstoffe.*
Beim Abwiegen der Rohstoffe.*

 

twindly: Hattest Du früher schon eine besondere Beziehung zu Düften im allgemeinen und Parfüms im besonderen?

Erik Kormann:Ich bin schon gern Stadtmensch, aber ich gehe in jeden Botanischen Garten und in jeden Wald. Ich stecke auch gern meine Hände in Erde und topfe Blumen um. Besonders die verschiedenen Kräuter und Duftgärten haben mich schon immer gereizt. Diese Faszination haben mir meine Eltern mitgegeben, und diese Lust, Gerüche wahrzunehmen, gehört für mich zum Leben einfach dazu. Das ist eine ganz normale Form von Neugier für mich.

 

twindly: Wie gehst Du daran heran, einen Duft oder ein ganzes Parfum zu kreieren?

Erik Kormann:Ich kenne ungefähr 350 Rohstoffe, geruchlich kann ich etwa 150 bis 200 auseinanderhalten. Ich habe natürlich Favoriten. Davon ausgehend entsteht bei mir im Kopf eine Idee. Das ist wie Kuchenbacken. Wenn man weiß, wie Grundprinzipien funktionieren und nicht nur Rezepte befolgt, dann kann man im Kopf selbst Rezepte bauen. Und so ist das bei mir. Wenn ich die komplette Idee beisammen habe, nehme ich meine große Kiste mit Riechstoffen und tauche Zahnstocher in die einzelnen Düfte. Von dem einen nehme ich zwei, von einem anderen drei – so entsteht eine kleine Mischung aus mit Duftstoffen getränkten Zahnstochern und die kommen in eine Plastikdose. Alle paar Tage rieche ich daran. Schon da fällt mir auf, was darin zu viel ist und was zu wenig. Das wiederhole ich dann zwei-, dreimal, und dann mache ich eine winzige Mischung des Duftes.

 

twindly: Das hört sich wie ein zeitaufwendiger Prozess an.

Erik Kormann:Ich lasse die ganze Idee erst mal ein viertel oder halbes Jahr im Kopf reifen. Der eigentliche Prozess des Mischens geht schnell. Für mich ist das auch keine Arbeit – erst wenn ich anfange, den Duft zu mischen und alles sehr genau aufschreiben und abwiegen muss. Das ist ein langer Prozess. Ich schaffe ungefähr ein Parfum pro Jahr. Ich habe gerade Ideen für einen neuen Monatsduft und einen neuen Steampunk-Duft, aber beides entsteht langsam.

 

twindly: Hast Du eine spezielle Beziehung zu Steampunk?

Erik Kormann:Überhaupt nicht. Ich habe früher Jules Verne verschlungen, aber ich würde niemals in einem Steampunk-Outfit rumlaufen. Als Stilrichtung gefällt mir Steampunk – da finde ich andere Moden viel belangloser.

1000 & 1 Seife*
1000 & 1 Seife*

 

twindly: Wie sieht’s denn mit Dingen aus, die dich inspirieren?

Erik Kormann: Für mich ist das Erschaffen von Parfums wirklich ein Hobby. Was nicht heißt, dass meine Düfte laienhaft komponiert sind. Das mit Sicherheit nicht. Ich bin nur, was meine Ideen angeht, sehr von äußeren Faktoren abhängig. Wenn ein professioneller Parfümeur ein Birnenparfum kreieren will, kann er das Grundgerüst sofort aufschreiben. Ich kann das nicht.  Ich muss das lange im Kopf hin- und her bewegen. Das ist der Unterschied.

Für mich ist das Hobby in gewisser Weise das Ergebnis all der anderen Dinge, die mich interessieren. Was hat Parfum schon mit Klavier oder einem Saxophon zu tun? Erst mal nichts, doch für mich sehr viel. Wenn ich alleine auf meinem Surfboard bin, habe ich oft tolle Ideen. Und Farben sind sehr, sehr wichtig. So wichtig, wie die Töne, die die Farben in meinem Kopf erzeugen und die ganzen Bücher, von denen ich nicht genug bekommen kann. Genau da kommt der Jules Verne hinzu. Manchmal sind halt Buchstaben der Ausgangspunkt.

 

twindly: Wie hältst Du es mit Klassikern und Düften, die jeder gerochen haben ‚muss’?

Erik Kormann: Gibt’s für mich nicht. Jeder muss für sich selbst entscheiden, was er mag. Was ich nicht mag sind Leute, die vorgeben, sich wahnsinnig für Parfum zu interessieren und dann gelangweilt das Gesicht verziehen, wenn sie einen Duft riechen, oder ihn gelangweilt wegstellen. Wer sich wirklich für Parfum interessiert, hat diese gelangweilte Attitüde und Arroganz nicht. Ich verstehe Leute nicht, denen manche Parfums zu billig sind, oder die direkt sagen, bestimmte Düfte interessieren sie nicht. Mir erscheint das als sehr überheblich. Das ist, wie wenn man gerne einen bestimmten Rotwein trinkt und dann erklärt jemand, dass ein Barolo für 40€ besser ist.

Es geht nicht um besser oder schlechter. Ich finde die Artenvielfalt entscheidend. Und ich finde es schön, wenn jemand entschieden hat, ‚das gefällt mir’ oder ‚das gefällt mir nicht’.

 

twindly: Hast Du Lieblingsparfums oder -produkte?

Erik Kormann: Ja klar! In Serpentine von Comme des Garcons könnte ich mich reinlegen. Paco Rabanne Energy war ganz toll, wird leider nicht mehr hergestellt – traurig. An mir selbst finde ich Paco Rabanne XS zu süß, aber es ist trotzdem ein schöner Duft. Er ist mainstream, es gibt ihn in jedem Douglas, aber das interessiert mich nicht. Er ist vielleicht nicht besonders ausgefallen, aber ich finde ihn trotzdem gut.

 

twindly: Was bedeutet für Dich Schönheit?

Erik Kormann: Oh, das ist schwer. Ich finde, Schönheit liegt im Auge des Betrachters. In Bezug auf Parfums finde ich die Frage schwierig zu beantworten, weil Düfte einfach zu flüchtig sind. Für mich selbst definiere ich Schönheit im klassischen Sinn, also im Sinn der klassischen Antike. Schönheit ist eine Kunstform, die einfach sich selbst, also den Ausdruck des Schönen zum Gegenstand hat. Zum Beispiel die Bildgruppe des Laokoon, das ist für mich der Ausdruck höchster Schönheit. Oder auch ein besonders durchdachter Schachzug, fast wie eine mathematische Formel. So etwas kann sehr elegant sein. Ansonsten langt mir ein Waldspaziergang für jede Menge Glück und Schönheitsempfinden.

 

Erik Kormanns Parfums findet man in Berlin bei 1000&1 Seife in den Hackeschen Höfen (Ehrenfelsstraße 9, 10318 Berlin) oder online, und bei Aus Liebe zum Duft.

Sein Blog ist zu finden unter: www.aromatisches-blog.de

 

 

*Bildrechte an allen Bildern: Erik Kormann